Dein Produkt und der von dir angestrebte Zielmarkt sind wie zwei Puzzleteile, die im Optimalfall passgenau zueinander sind. Den Markt und das Produkt dabei genau zu definieren und die Passgenauigkeit zu evaluieren, ist eine große Herausforderung. In diesem Artikel schauen wir uns daher an, was eigentlich unter dem Markt, dem Produkt und dem „Fit“ der beiden zu verstehen ist.
Eine handliche Visualisierung der verschiedenen Komponenten bietet die Product-Market-Fit Pyramide. Diese unterteilt die Komponenten des Markts und des Produkts noch einmal in weitere Bausteine.
Abbildung 1: Product-Market-Fit Pyramide nach Olsen aus "The Lean Product Playbook" (2015), S. 23
A startup's job is to rigorously measure where it is right now.
Eric Ries in „The Lean Startup“ S. 114
Der Markt
Der untere Part der Pyramide besteht aus dem Markt. Der Markt umfasst alle potenziellen Kund*innen für dein Produkt. Ist dein Produkt zum Beispiel eine neue Batterie für Elektroautos, würde dein Markt aus Automobilhersteller*innen bestehen. Entwickelst du hingegen ein medizinisches Produkt für Diabetiker*innen, wäre dein Markt auf Menschen mit Diabetes-Erkrankung, deren Angehörigen und Ärzt*innen zu umschreiben.
Wichtig ist, dass innerhalb dieses Marktes bestimmte Bedürfnisse bestehen. Die Bedürfnisse sollten bisher nicht durch alternative Produkte bereits befriedigt werden. Wenn wir bei unseren beiden Beispielen bleiben, könnten folgende unbefriedigte Bedürfnisse auftreten: Die aktuellen Batterien für Elektroautos bieten subjektiv wahrgenommen eine zu geringe Reichweite – das Bedürfnis der Unabhängigkeit der E-Auto-Fahrer*innen wird nicht befriedigt; Bestehende Insulinpumpen für Diabetiker*innen sind außerhalb des Körpers zu tragen und werden als störend empfunden, das Bedürfnis nach Bewegungsfreiheit wird durch die Insulinpumpen eingeschränkt.
Nur wenn unbefriedigte Bedürfnisse vorliegen, ist der Markt relevant. Einen gesättigten Markt kann man nicht weiter füttern. Solltest du dir unsicher sein, ob deine Zielkund*innen unbefriedigte Bedürfnisse haben, gehe zunächst mit ihnen in den Austausch.
Das Produkt
Bei deinem Produkt kann es sich sowohl um ein physisches Gut als auch um Software oder Dienstleistung handeln. Hybrid-Lösungen, wie Software-as-a-Service-Angebote oder die Verknüpfung von physischen Gütern mit Dienstleistungen, lassen die Grenzen zunehmend verschwimmen.
Die Ebene des Value Proposition, also des Wertangebots oder des Nutzenversprechens, beschreibt, was du deinen Kund*innen an Mehrwert bietest. Wenn wir unsere beiden Beispiele wieder aufgreifen, könnte das Nutzenversprechen lauten: „Für Fahrzeughersteller*innen, die Hochleistungsbatterien für ihre Elektrofahrzeuge benötigen, bietet unsere Batterie eine garantierte Reichweite von 1.000km“ oder „Für Diabetes-Erkrankte, die ihre Insulinpumpe als störend empfinden, bietet unsere Insulinpumpe in der Größe eines Mikrochips eine nicht-spürbare und störungsfreie Alternative.“ Das Nutzenversprechen greift die vorab definierten Bedürfnisse nach Reichweite und störungsfreien Insulinpumpen auf (ein Artikel zu „Value Proposition“ folgt bald).
Im nächsten Schritt der Pyramide übersetzen wir das Nutzenversprechen in die konkreten Funktionen und Merkmale deines Produkts, das Feature Set. Am Anfang deiner Geschäftsidee solltest du dich auf die Hauptmerkmale deines Produkts fokussieren. Bei unseren beiden Beispielen ist es einmal die Reichweite für die Elektroauto-Batterien bzw. die Größe der Insulinpumpen. Die Hauptmerkmale sind durch die Entwicklung eines Minimum Viable Products (MVP) in einen ersten Prototyp zu übersetzen. Der Prototyp muss noch nicht markttauglich sein. Wichtig ist, dass er die Hauptmerkmale widerspiegelt. Je nach Produkt, dass du entwickeln möchtest, kann der Prototyp eine Skizze, ein Click-Dummy oder ein manuell gefertigtes Bauteil sein (ein Artikel zum „Minimum Viable Product“ folgt bald).
Zuletzt folgt der krönende Abschluss: die User-Experience (UX). Bei der User-Experience trittst du mit deinen Kund*innen (aus der Basis der Pyramide) in den Austausch. Sie dürfen die erste Version deines Produkts (MVP) testen. An dieser Stelle wird deutlich, ob die Pyramide, die wir aufgebaut haben, mit der Realität übereinstimmt. Das Feedback der potenziellen Kund*innen ist zentral, um zu prüfen, ob tatsächlich ein Product-Market-Fit vorliegt und die Puzzleteile zusammenpassen. Aus dem Feedback lassen sich wiederum Rückschlüsse auf Kund*innenbedürfnisse ziehen, die bislang noch nicht erkannt wurden.
Auch wenn die fünf Segmente als Pyramide aufgebaut sind, sollten sie als Kreislauf genutzt werden. Selbst wenn du dir sicher bist, die passgenaue Lösung für die Bedürfnisse deiner Kund*innen entwickelt zu haben, können sich die Bedürfnisse kontinuierlich verändern, z. B. durch den Markteintritt von Konkurrent*innen.
Text: Josephine Jung
Quellen:
Olsen, Dan (2015):The Lean Product Playbook: How to Innovate with Minimum Viable Products and Rapid Customer Feedback, John Wiley & Sons, Incorporated.
Ries, Eric (2011): The Lean Startup. How Today’s Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses. Crown Publishing Group. New York.
Maurya, Ash (2013): Running Lean. O’Reilly Verlag. Köln.
Bildmaterial: Elisabeth Kitzerow