Ein Berliner Startup entwickelt die Technologie der Reerdigung und ist aktuell einziger Anbieter in Europa für diese neue Bestattungsweise. Für die Entwicklung der Prototypen fand Meine Erde die Unterstützung in der Lausitz, genauer gesagt im ViNN:Lab, dem Makerspace der Technischen Hochschule Wildau.
Hallo Max, was verbirgt sich hinter dem spannenden Projekt mit dem Namen Meine Erde und wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Max Hüsch: Unser Unternehmen Circulum Vitae hat mit der Marke Meine Erde die Technologie Reerdigung entwickelt und ist bisher der einzige Anbieter in Europa für diese neue Bestattungsweise. In einem hierfür konzipierten Kokon aus Stahl wird durch einen natürlichen Prozess die Transformation des Körpers zu Erde beschleunigt.
Eins der größten Probleme unserer Zeit ist der Klimawandel. Und wir haben uns gefragt, wie wir einen Beitrag dazu leisten können, hier etwas zum Positiven zu verändern. Die Kinder meines Co-Gründers Pablo Metz fragten irgendwann, was wir machen, damit die Welt auch noch lebenswert ist, wenn sie erwachsen sind. Unter anderem vor diesem Hintergrund haben wir nach einer bestehenden Option gesucht, zu der es noch keine klimafreundliche Alternative gab. Auf das Thema Reerdigung sind wir dann durch Gespräche mit seiner Großmutter (97) zum Thema Tod gekommen. Bei den Bestattungen hat sich mit der Einführung der Krematorien vor 150 Jahren nichts geändert. Damals ergab die Einführung Sinn – aber es stellte sich auch nicht die Frage, wie wir unsere Welt retten können. Mit Reerdigung haben wir einen Weg gefunden, ein Angebot zu machen, das es noch nicht gibt – dazu ist es das Natürlichste auf der Welt: Die Natur baut Biomasse auf und baut sie wieder ab. Und sie ist anwendbar, ohne dass jemand sein Verhalten ändern muss.
Was sind die Gründe bzw. Vorteile gegenüber einer konventionellen Bestattung?
Max Hüsch: Als Bestattungsmethode ist die Reerdigung eine nachhaltige Alternative zur Erd- und Feuerbestattung. Reerdigung entspricht dabei vollständig den Vorgaben des deutschen Bestattungsrechts. Auch bei den Vertretern der unterschiedlichen Konfessionen und Weltanschauungen trifft das Reerdigungs-Verfahren auf Offenheit und Zustimmung.
Das Angebot Meine Erde richtet sich an Betroffene, Angehörige und Zugehörige, sowie Bestattungsunternehmen und Friedhöfe, die als etablierte Partner eine dritte Möglichkeit der Bestattung anbieten können. Sie ist nachhaltig, weil sie komplett CO2-neutral ist. Und die Aufgabe, einen Körper der Natur zurückzuführen, wird besonders würdevoll erfüllt. Trotz hoher ökologischer Maßstäbe und einer würdevollen Bestattung, sind die Kosten einer Reerdigung vergleichbar einer durchschnittlichen Urnenbestattung.
Meine Erde
kurz gefasst!
- Gründungsteam: Max Hüsch und Pablo Metz
- Gründungsjahr: 2020
- Rechtsform: GmbH
- Gründungsidee: Wir bieten würdevolle nachhaltige Reerdigungen in Deutschland
- Standort: Berlin
- meine-erde.de
Bild: Meine Erde
Für das Prototyping seid ihr aus der Stadt raus und habt Unterstützung in der Lausitz gefunden? Wie kam es dazu und wie sieht die Unterstützung konkret aus
Max Hüsch: So wie es häufig ist: eine Mischung aus Recherche, Erfahrung und Glück. Die Frau meines Co-Founders hat an der TH Wildau ein Seminar für Mediation gegeben und Franzi aus unserem Team hat eine Anfrage bzgl. Prototyping gestellt. Der Austausch war gleich sehr positiv, konstruktiv, schnell und unkompliziert. Das hat den guten Eindruck noch verstärkt und so sind wir zusammengekommen und freuen uns sehr über die Zusammenarbeit.
Wie schätzt Ihr als Berliner Startup das Potenzial für Gründungen außerhalb der Metropole ein? Welche Chancen und Herausforderung seht ihr?
Max Hüsch:
Es gibt überall viel Potenzial, wo Menschen mit einer guten Ausbildung, guten Ideen und Mut zusammentreffen können. Das hat nichts mit der Metropole zu tun. Es gibt viele Orte, die gute Bildungsangebote haben, in deren Peripherie passiert dann häufig auch viel. Die TH Wildau ist ein gutes Beispiel dafür.
Unsere Erfahrung zeigt uns aber, dass Mut eine wesentliche Rolle spielt – und das kann noch extrem durch das Umfeld gefördert werden. Einerseits helfen Vorbilder, aber beispielsweise auch Professor*innen, die einem das Gefühl geben, dass man ja eigentlich nur “die Treppe rauf fallen kann”.
Die Unterschiede zwischen Metropolen und eher ländlichen Regionen sind aber ja viel diskutiert worden. Auch wenn wir selbst nun in der Stadt gegründet haben und davon profitieren, dass wir hier viele Menschen kennen, kann es genauso gut ein super Netzwerk in kleineren Orten geben. Oft trifft man sich dann leichter, lernt sich schneller kennen, kann kürzere Wege nutzen und damit Tempo gewinnen. Das ist eine gute Hilfe. Am wichtigsten ist einfach: Machen! Egal wo.
»Machen! Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!«
Max Hüsch
Zu guter Letzt werfen wir einen Blick in die Glaskugel: Wo steht Meine Erde in fünf Jahren?
Max Hüsch: Hoffentlich ist Meine Erde dann ein Unternehmen in einer Welt, die wieder friedlicher ist, als derzeit mit dem wahnsinnigen Angriffskrieg in der Ukraine. Hoffentlich ist Meine Erde dann auch Teil einer Gesellschaft, die es immer besser schafft, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden und auf nachhaltige Alternativen zu setzen. Wenn dem so wäre, dann wäre schon viel geschafft.
Wenn Meine Erde dann noch ein Teil dieser positiven Entwicklung sein kann und sich viele Menschen mit einem guten Gefühl für eine lebensbejahende und nachhaltige Bestattungsmethode entscheiden können, dann haben wir einen Teil unserer Ziele erreicht.
Interview geführt im Mai 2022 mit Marko Berndt
Bild- und Videomaterial: Meine Erde